Nun zu »Hop Hop«, Meisterwerk eines Mannes, der beständig und viel arbeitet, aber nicht immer die Öffentlichkeit sucht. Bitte keine Tretmühle, keine Beliebigkeit, keine Zwänge. Ein musikalischer Schläfer, könnte man sagen. Seine Veröffentlichungen haben dann auch gerne die Wirkung von Anschlägen. Es tut einen Knall. Und plötzlich ist er wieder voll da. Nicht zu überhören, präsent. Er meldet sich, wenn er was zu sagen, oder besser in diesem Fall: zu singen hat. Dabei, wenig verwunderlich, ist Steffen kein einfacher Zeitgenosse, manche halten ihn sogar für schwierig. ›Nein‹ ist eine seiner Lieblingsvokabeln. Aber, Achtung, falsches Vorurteil: Der Mann ist nur sehr (selbst-)kritisch. Auf seinem Radar erscheinen Dinge, die unsereinem oft verborgen bleiben – wenn sich etwas falsch anfühlt, falsch tönt, falsch ist, eben nicht authentisch, literarisch vermummt oder musikalisch verschwurbelt. Wo andere in Begeisterung zerfließen, stoppt er die alles gleichmachende Konsenssucht mit einem knappen »Geht so!« Wenn er dann mal was rauslässt, hat das Ereignischarakter. Dann macht die Natur eben doch Sprünge, zumindest musikalische ...
Zur Sache: »Hop Hop« beginnt mit dem Titel gebenden Song und einem aufgeräumten Duane Eddy-Twang-Akkord. Zivilisationskritik an der hektischen Stress-Gesellschaft in Form einer beschwingten Rockabilly-Humoreske mit bassigem Hintergrund-Chor: »En dr Firma willsdet wesse / op dinge Burnout weed jedresse / bes hellwach wenn andere penne / häs de Spetz em Hamster Renne«. Hier stammt auch das Cover-Motiv her, der coole Hamster, der feist grinsend das Drehrad anhält. Das Motiv stammt aus der begabten Feder von Buchautor und Illustrator Niko Heidelbach. Was kölsche Texte betrifft, wurde Steffen von seinem Freund Robert Pütz wach geküsst, einem Mann aus der alten Werber-Garde, dem man solche Traumzeilen wie »Bonduelle, das famose Zartgemüse aus der Dose« verdankt und der auch für andere kölsche Künstler zur Feder greift.
Es folgt auf Position zwei »D’r Weet«, eine überdreht-zuckende, von flugs geklöppeltem Hackbrett und Bouzouki durchwehte Mazurka, die an beste L.S.E.-Zeiten erinnert. Jeder Kölner – egal, ob geborener oder gelernter – kennt diesen Typ Wirt. Maulig, mit napoleonischem Ego, die speckige Geldbörse wie eine Knarre hinten im Gürtel, von bedrohlicher Sympathie und immer ›am kühmen‹. Titel drei, »Meditiere«, changiert gekonnt zwischen singendem Sitar-Intro à la George Harrison und Akkordeon durchpflügter Krätzjen-Schnurrigkeit. Und wer bei diesem brüllkomischen Text nicht ins Schmunzeln kommt, der geht zum Lachen sicher in den Keller: »Do muss mer nit noh Tibet fahre / däm Juru nit dä Büggel drare / nohm etzte Selbsterfahrungsjohr / weet et Dir dann klor / mer liert doh Yoga un Shiatsu, Qui Gong un och Tai Chi / versöck dobei ze meditiere / un dat alles deiht nit wieh«. »Immistadt«, eine von zwei äußerst gelungenen Steve Earle-Adaptionen auf »Hop Hop«, behandelt das Thema Integration und gipfelt in der schelmischen Androhung: »Su weeste he en däm Jemölsch – zwangsweise Kölsch ...«. Als »(Arsch huh) Immistadt« kommt dieser Song, mit Gerd Köster, Shary Reeves und Flo und Basti von Kasalla am Mikrofon, pünktlich zum 20-jährigen »Arsch huh, Zäng ussenander«-Jubiläum am 9.11.2012 als Single heraus. »Jute Jung«, ein Liebeslied an den eigenen Hund mit überraschendem Ende, fährt einem dank seiner zuckeligen Cajun-Fröhlichkeit direkt ins mitwippende Gebein. Was Multiinstrumentalist Matthias Keul an der Lapsteel-Gitarre kann, hört man hier und noch deutlicher im nächsten Song, dem tiefenentspannten »Verbrummele«, einer Liebesgeschichte, wie sie so schön verquer nur unser Arno schreiben kann. Keul sorgt mit der wimmernden Lapsteel-Grundierung für typische C&W-Seligkeit. Man schmeckt die staubige Hitze des von der Sonne aufgeheizten Tages, die erotisch aufgeladene Sentimentalität des Verliebten. Irisches Flair mit folkiger Tin Whistle, gespielt von Backgroundsängerin Frauke Harder, verbreitet »Vringsstrooss Bletz« und erzählt die Geschichte einer Rosenmontagsbekanntschaft zwischen Zugereistem und einer kölschen Schönheit, »de Hörcher schwatz und de Aure jrön« und – klar – eine besonders inbrünstige Bötzerin. »Ming Stadt« entwickelt, von Krummingas und Wienstroers Gitarren angetrieben, eine lang schwelende Glut. Ein Hit? Ja, ein Hit! Eine schönere – domfreie – Liebeserklärung an »die ahle Stadt«, wo der kleine Jung »die Kesselflecker unge am Rhing« und abends das blonde Mädchen aus dem »Zijarre Lädche« beobachtet, hat man seit Ostermann nicht mehr gehört.
Nach zwölf Songs und unzähligen Gala-Momenten dies als Fazit: »Hop Hop« profitiert in jeder Sekunde von der Stilsicherheit seines Urhebers, seinen Erfahrungen, Erlebnissen und Erkundungen in der Welt von Rock bis Avantgarde, von Steve Marriott bis Velvet Underground, von Tabubruch bis Brauchtumspflege. Dass die versammelte Mannschaft erstklassig ist, versteht sich bei einem musikalischen Volblut wie Steffen von selbst. Helmut Krumminga, Markus Wienstroer, Wolf Simon, Hans Maahn und der Rest der coolen Gang sorgen für astreinen Musikspaß; René Tinner und Dieter Krauthausen hinterm Pult für den guten Ton; Tommy Engel, Gerd Köster, Pit Hupperten, Tony Clark, Mario Argandona, Jura Wajda … für Gastauftritte
Noch einmal: Arno Steffen kennt seine Koordinaten ganz genau und macht eben deshalb aus eigentlich gewagten stilistischen Grenzgängen musikalische Events der Extraklasse. Sei es eine Reminiszenz an die frühen Stones (»Fründe«), die mit einer lässigen Chic-»Discogitarre« aufgepeppte Scooter-Persiflage »Weiter Weiter!« oder die von Gerd Köster schnodderig dargebotene Ballade »Et Es Karneval In Köln« – man sollte immer auf Überraschungen gefasst sein. Dass Steffen Kunst kann, wusste man schon länger. Wenn er diese dann zurückbindet an sein kölsches Wurzelwerk, mit dem er offensichtlich – selbst was den Karneval angeht – seinen Frieden gemacht hat, dann wird’s Kunst mit Humor. Selten genug und immer sehr gern genommen! Post-Black Fööss, Post-Höhner, Post-L.S.E., Post-wasauchimmer – »Hop Hop« von Arno Steffen ist gesetzt als »Platte des Jahres 2012«.
Das Album "Hop Hop" ist in unserem Shop, bei Amazon, iTunes, Spotify, Deezer, Google Play und YouTube Music erhältlich.
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In 1990, Steffen formed a new group called L.S.E. together with pianist Rolf Lammers and de Bläck Fööss vocalist Tommy Engel (the titular initials stand for the three bandmembers' last names). With several guest musicians, the group created an absurd musical tapestry that included humorous Koelsch stories, Zappa-esque jazz, and boogie-woogie. L.S.E. released three albums during the '90s: "Für et Hätz und jäjen d'r Kopp" (1992) (the title is Koelsch for "For the Heart and Against the Head"), Ruhm kennt keine Gnade (1994) ("Fame Knows No Mercy"), and Aua (1996) ("Ouch"). In 1996, the band went on hiatus without actually disbanding. 2004 then saw the release of a best-of compilation, Das Beste von L.S.E..
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